Die Verankerung von Kundenzentrierung: drei konzeptionelle Überlegungen
Die Erfahrungen aus der Begleitung von zahlreichen Reorganisations- und Transformationsprojekten über die letzten Jahrzehnte haben aufgezeigt, dass zur erfolgreichen Verankerung von Kundenzentrierung in Organisationen drei Prinzipien zu befolgen sind. Wir geben mit dem vorliegenden Blog unsere Erfolgsgeheimnisse preis und hoffen damit, dass Sie in Ihrem Arbeitsumfeld zukünftig noch erfolgreicher Transformationsprojekte umzusetzen.
Erstes Prinzip: Prozessorientierung ist die einzige Möglichkeit, um Kundenzentrierung zu erlangen und damit nachhaltig Wettbewerbsvorteile zu erhalten oder aufzubauen.
Ganz banal gefragt, weshalb ist Kundenzentrierung ein derart zentrales Konzept? Die kurze, gewichtige Antwort: Sie ist notwendig, um den Fortbestand der Organisation zu sichern, denn Kundenzentrierung stellt in der heutigen Zeit einen strategischen Imperativ zur Ausrichtung von Organisationen dar. Kundenzentrierung kann indes, wie nachfolgend erläutert, nur über eine konsequente Prozessorientierung erreicht werden. Es ist spezifisch die Summe der Geschäftsprozesse – nicht nur der einzelne Prozess –, die grundsätzlich im Dienste der Umsetzung der Geschäftsstrategie und damit der Kundenzentrierung steht. Die Prozesslandkarte, welche die Prozesse und deren Zusammenspiel in der Organisation gesamtheitlich abbildet, wird damit zum Dreh- und Angelpunkt für die Verankerung von Kundenzentrierung. Um Kundenzentrierung bis auf Ebene Mitarbeitende zu verankern und umzusetzen, muss sich somit die gesamte Prozesskette an den externen Kunden orientieren (vgl. Abbildung 1). Die Kundenkontaktpunkte in den einzelnen Prozessen werden bestimmend für die Entwicklung und Optimierung der Prozesse, da sie die Erwartungen des Kunden ins Zentrum einer integralen Prozesslogik stellen.
Abbildung 1: Kundenzentrierung erfordert das Abstimmen der gesamten Prozesskette auf den externen Kunden.
Als Implikation dieser Überlegungen entsteht Kundenzentrierung, wenn die Mitarbeitenden ihren konkreten Beitrag kennen und befolgen, den Sie an den Kundenkontaktpunkten leisten sollen. Das zeigt man am besten mit einer sogenannten Empathy Map auf, welche die unterschiedlichen Aspekte einer Kundeninteraktion am einzelnen Touchpoint zusammenfasst. Das Ergebnis sind Gefühle, sprich Lust- und Frustempfindungen (vgl. Abbildung 2).
Abbildung 2: Kundenzentrierung ist das Ergebnis von Handlungen der Mitarbeitenden am Touchpoint.
Wichtig ist die Erkenntnis, dass die Wirkung des Mitarbeitenden am Touchpoint diese starke emotionale Komponente hat und die Mitarbeitenden deshalb verstehen müssen, wie diese Emotionen zustande kommen und wie sie diese beeinflussen können. Dies hat viel mit Prozesshilfsmitteln und IT-Systemen zu tun, denn diese definieren einen gewissen Handlungsrahmen, aber ebenso mit der grundsätzlichen Einstellung (Denken & Fühlen) und dem Verhalten (Sagen & Tun). Zusammengefasst entsteht Kundenzentrierung somit über die Entwicklung einer integral auf Kundenkontaktpunkte ausgerichteten Prozesslogik und dem geteilten Bild eines erfolgsversprechenden Verhaltens des Mitarbeitenden am Kontaktpunkt.
Zweites Prinzip: Der Übergang zu einer neuen Prozesslogik braucht Zeit, weil Veränderungen mit einem Mindchange bis auf Ebene Mitarbeitende verbunden sind. Erst wenn das Management von der Notwendigkeit einer Veränderung überzeugt ist, sind die Erfolgsvoraussetzungen gegeben.
Der Erfolg von Reorganisationsprojekten hängt mit der Überwindung von sogenannten Tipping Points zusammen. Das sind Kipp-Punkte im Verlauf einer Transformation, an denen Mitglieder der Organisation die Bereitschaft entwickeln, Veränderung mitzutragen und zu stützen. Weil es ohne Überzeugung im Management unwahrscheinlich ist, Verbesserungsvorhaben die notwendige Stosskraft zu verleihen, sind Transformationsvorhaben in einer ersten Phase ein Top-Down-Prozess.
In der Praxis können solche Tipping Points beispielsweise in der Reifegrad-Beurteilung des Geschäftsmodells und in der Bewertung der Kundenzentrierung des aktuellen Prozesssystems liegen. Oftmals sind Prozesse nicht optimal ausgerichtet oder stark nach funktionalen Silos organisiert, so dass die End-2-End Kundensichtweise über die gesamte Prozesskette nicht ersichtlich ist. Erst wenn das Management zur Überzeugung gelangt, dass das Geschäftsmodell respektive die Prozesssystematik überarbeitungsbedürftig sind und diese Überzeugung in der Organisation entsprechend vertreten, können Veränderungen in Richtung Kundenzentrierung angestossen werden.
Drittes Prinzip: Eine Prozess-Vision entwickelt sich nicht von selbst in agiler Weise über zahlreiche Zwischenstände. Transformation bedeutet in erster Linie Führungsarbeit auf allen Ebenen. Führungsarbeit heisst, organisationale Voraussetzungen zu schaffen und Verantwortung für die Kulturentwicklung zu übernehmen.
Nach unserer Einschätzung sind wir zum jetzigen Zeitpunkt vermutlich am Peak der inflationären Erwartungen angekommen, was Agilität zu leisten vermag. Die Entwicklung einer Prozess-Vision hat nichts mit Agilität und der Anwendung agiler Prinzipien zu tun. Es geht um das Treffen von Grundsatzentscheidungen im Management und der Schaffung eines Leuchtturms mit Zielbildfunktion. Diese Grundsatzentscheidungen sind von Natur her diametral entgegengesetzt zum agilen Prinzip der Selbstorganisation. Agilität mag nützlich in der anschliessenden Umsetzung sein, aber nicht per se in der Entwicklung einer Vision. Weiter bilden die Gestaltung der organisationalen Voraussetzungen und der Kulturentwicklung das Rückgrat, um die Veränderungen auf allen Stufen zu tragen. Dokumentierte Prozesse allein implizieren nicht, dass nach Prozessen geführt wird. Eine neue Logik kann nicht ohne Anpassung der Führungsstruktur verankert werden: Es braucht neue Rollenbilder in Form der Prozessverantwortlichen, welche mit entsprechenden Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortungen sowie den notwendigen Ressourcen ausgestattet werden müssen, um die Transformation der Organisation in Richtung Kundenzentrierung erfolgreich zu meistern.
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