22. Juli 2021
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Kundenzentrierung quo vadis?

Kundenzentrierung gilt aktuell als das «Mantra» einer erfolgreichen Unternehmensführung. Es gibt kaum eine Organisation, die nicht eines oder mehrere Vorhaben zu deren Optimierung verfolgt. Das Buzzword macht sich gut in Strategiedokumenten und man schreibt es sich gerne in Form von Zielbildern auf die Fahne.
Weniger klar ersichtlich sind die damit erzielten Erfolge. Die Effekte von „Customer Centricity“ sind in der betrieblichen Praxis nur schwer greifbar oder gar messbar. Unsere These ist, dass es einen zentralen Grund gibt, warum die Kundenzentrierung oft die angestrebte Wirkung nicht erreicht.

Kundenzentrierung auf Abwegen

Das Zitat von Steve Jobs zum Thema ist bekannt: «You’ve got to start with the customer experience (..)». Aber welchen «Kunden» hatte der Apple Titan bei der Aussage im Kopf? Die Frage wirkt trivial, aber je grösser die Organisation, desto grösser ist die Gefahr, dass nicht alle das gleiche «Kundenverständnis» haben. Vielleicht gerade wegen ihrer Banalität wird der Frage nach der Kundendefinition zu wenig Beachtung geschenkt. So erleben wir oft, dass in verschiedenen Bereichen eines Unternehmens unterschiedliche Kundenbegriffe ungewollt koexistieren. Prägend wirkt sich hier auch der jeweilige Funktionsbereich aus. Während der Vertrieb von einem «klassischen» Kundenbegriff ausgeht, werden im Logistikumfeld häufig auch Lieferanten als Kunden betrachtet. Das aktuell hoch im Kurs stehende «Lean-Konzept» lehrt uns, dass jede Prozess-Nahtstelle als Kunden-Lieferanten-Beziehung auszugestalten ist und damit rückt jede Prozessübergabestelle in eine Kundenfunktion. In der Produktion und in den Supportprozessen ist dementsprechend häufig die Auffassung verbreitet, dass der Kunde mit dem Nachfolger im Prozess gleichzusetzen ist. Schliesslich ist auf Managementebene nicht selten eine unscharfe Abgrenzung zwischen Stakeholdern und Kunden anzutreffen.

Unbemerkt existieren mehrere Auffassungen zum Kundenbegriff in ein und demselben Unternehmen. Sind nun alle Bereiche, Teams und Mitarbeitende vermeintlich kundenorientiert aufgestellt, stellt dies noch keine Kundenzentrierung sicher. Es fehlt der gemeinsame Fixpunkt, den man mit der eigentlichen Kundenzentrierung anstrebt.

Diese unterschiedliche Auslegung des Kundenbegriffs führt zu Unschärfen bei Managemententscheidungen. Wir behaupten, dass mit einem unklaren Kundenverständnis Disziplinen wie das Customer Experience Management wirkungslos und damit überflüssig werden, da nicht klar ist, wer die «wahren» Kunden eigentlich sind. Fazit: Applikationen, Projekte oder auch Produkte werden an der eigentlichen Zielgruppe vorbei entwickelt.

Wenn Sie dieser Falle entgehen und durch die Kundenzentrierung mehr Nutzen erzielen wollen, dann verringern Sie den Spielraum, wie Ihre Organisation den Kundenbegriff und die Kundenzentrierung interpretiert. Trivial als Aussage? Weit gefehlt, denn wir stellen aktuell eine Management-Mentalität fest, die sich am Grundsatz «je mehr der Kundenbegriff Verwendung findet, desto kundenorientierter ist das Unternehmen» orientiert und damit die Wirkung verwässert. Wir vertreten daher die entgegengesetzte Behauptung, dass das Top Management sich mit der Schärfung des Kundenbegriffs befassen und dessen Durchsetzung bis auf Mitarbeiterebene sicherstellen muss. Mit der Befolgung dieser simplen Anweisung geben Sie Ihrer Organisation einen regelrechten «Boost» punkto Kundenzentrierung. Anhand unserer Erfahrung aus zahlreichen Transformationsprojekten können wir aufzeigen, dass sich ein gutes Management durch eine klare und unmissverständliche Fokussierung auf zu bearbeitende Zielgruppen auszeichnet. Um eine Verzettelung zu vermeiden, ist es entscheidend, dass Sie den Begriff «Kunde» nur einmal besetzen, und zwar für die prioritären Zielgruppen. Stellen Sie sicher, dass unabhängig von der Funktionsstufe oder der Organisationseinheit der Kundenbegriff einheitlich verwendet wird. Genauso wichtig ist, dass jeder und jedem klar ist, wer der Kunde mit seinen Bedürfnissen und Verhaltensweisen ist.

Kunde, Stakeholder, Leistungsempfänger… wer denn nun?

Die allgemeine Definition für den Begriff «Kunde» ist auf Wikipedia schnell gefunden: Ein Kunde ist (…) eine Person, ein Unternehmen oder eine Organisation, die als Nachfrager ein Geschäft mit einer Gegenpartei abschliesst.

Der Kunde zeichnet sich somit – als zwingende Bedingung – durch eine Bereitschaft zum Kauf aus.

Dadurch grenzt er sich klar von sogenannten Stakeholdern ab. Stakeholder haben auch Erwartungen an das Unternehmen, Produkt oder das Projekt und die Bedeutung des Stakeholdermanagement wird nicht in Frage gestellt. Nur sind Stakeholder eben nicht mit Kunden gleichzusetzen. Stellen Sie sich immer die Frage: Soll meine Organisation primär stakeholderorientiert oder kundenorientiert handeln? In vielen Fällen haben wir gemeinsam mit unseren Auftraggebern festgestellt, dass Management-Entscheidungen zu stark stakeholdergetrieben erfolgten. Ähnlich verhält es sich mit dem Begriff des «internen Kunden». Interne Kunden sind aus unserer Sicht Leistungsempfänger. Auch hier stellen wir die Bedeutung von optimal ausgestalteten Übergaberäumen keineswegs in Frage. Wichtig in der Prozessgestaltung ist jedoch die Unterscheidung zwischen Kunden-Touchpoints und eben genannten Übergaberäumen. Will ein Unternehmen die Kundenzentrierung verbessern, müssen alle Handlungen im Unternehmen auf den Endkunden – sprich die Kunden-Touchpoints – ausgerichtet werden. Denn dieser ist es, der durch seine Kaufentscheidung Erfolg und Misserfolg herbeiführt.

Ein Beispiel hilft, diese Unterscheidung deutlicher zu machen: In der Schweizer ÖV-Branche herrscht einerseits aktuell die zu einengende Auffassung vor, dass der Kunde nur mit dem zahlenden Fahrgast gleichzusetzen ist. Bahnunternehmen berücksichtigen in ihren Geschäftsmodellen zu wenig, dass auch die öffentliche Hand (Bund und Kantone) oder auch Vertriebspartner als gleichwertige Kunden – gemäss unserer Definition – zu betrachten sind. Anderseits verwenden sie auf Ebene Mitarbeitende den Kundenbegriff zu breit gefächert und verwischen damit die Grenze zwischen internen Leistungsempfängern und dem Kunden am Markt.

Die konsequente Verwendung des Kundenbegriffes bedingt, dass das Management aktiv in die Begriffsverwendung eingreift und eine mehrfache Belegung des Terminus bekämpft. Es ist für den Erfolg des Unternehmens von zentraler Bedeutung, dass diese Begriffshygiene vom Management getragen und auch unternehmensweit einheitlich vertreten wird. Gemäss unserer Erfahrung wird bei der Optimierung der Kundenzentrierung viel zu schnell über Customer Experience und Instrumente zu dessen Umsetzung gesprochen, aber häufig die Grundlagenarbeit der klaren Bezeichnung der Zielkunden vernachlässigt. Die erfolgreiche Umsetzung der Kundenzentrierung erfordert, dass die «Methoden-Geilheit» in der Organisation systematisch kontrolliert und mehr Fokus auf die angestrebte Wirkung der Kundenzentrierung gelegt wird. Behalten Sie deshalb bei Ihrem nächsten Projekt oder auch im Berufsalltag vor Augen, dass die Voraussetzung zur Entfaltung der Wirkung von Kundenzentrierung ein gemeinsames Verständnis darüber ist, wer der Kunde ist.

Möchten Sie gerne mehr über unsere Auffassung über eine erfolgreiche Ausgestaltung der Customer Experience erfahren? Nehmen Sie jederzeit gerne Kontakt auf und bleiben Sie Leser*in unseres Blogs, hier erscheint nach den Sommerferien Teil 2 zum aktuellen Beitrag.

steffi
Stefanie Scheidegger
Projektleiterin
Marco Brogini
Dr. Marco Brogini
Senior Partner

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